«Stopp Bashing SBB»
Es war ein Song, aus heiterhellem Himmel, der unter die Haut ging, gezeichnet Claudia Furrer. Nach Jahren hartnäckiger Kritik am FV-Dosto und dem Katalysator eines tragischen Personenunfalls entlädt sich die Frustration der SBB-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern in einem sehr emotional vorgetragenen Song. Er offenbart ein Luxusproblem: eines der allerbesten Bahnsysteme der Welt ist nicht gut genug für den verwöhnten schweizer Bahnkunden. Dieser verkennt die Leistungen eines stillen und effizienten Bahnpersonals.
Blick zurück
Wer auf blick.ch das Stichwort „FV-Dosto“ eingibt erhält am Stichtag 27. Juli 2022 insgesamt 13 Treffer. Alle destruktiv negativ. Beim letzten Beitrag geht es um die Bioreaktoren, die offenbar schlecht gewartet wurden. Die übrigen Beiträge drehen sich um die Selbstinszenierung von Nationalrat Martin Bäumle und seine CO2-Messgeräte, die er wie ein Hausierer unter die Leute bringen will, sodann um die politische, vorab finanzielle und nicht technische Entscheidung, WAKO nicht einzusetzen bzw. zur Reife zu bringen, weiter um die konstruktive Problematik der Rampenneigung, die im Rechtsstreit klar zulasten der Beschwerdeführer entschieden wurde und trotzdem als Teilerfolg der Behindertenorganisationen gefeiert wird. Seit seiner Einführung 2018 wird der FV-Dosto von Hause Ringier konsequent angeprangert, schlecht geredet und der Hersteller Bombardier als notorisch unfähig hingestellt. Mein doppelter Versuch (25.7./27.7.22), auch auf Positives in einem Kommentar hinzuweisen scheitert und wird schon gar nicht zugelassen.
Cui bono? Wer steckt hinter dieser Schlammschlacht? Wem nützt dieses ständige Schlechtmachen eines Zuges, der sicher seine Macken hat aber der innovativste Zug der SBB ist? Wieso werden die vielen Vorzüge des Zuges im Vergleich zu anderen Flotten totgeschwiegen (Druckdichtigkeit, Kapazität, Kundeninformationssystem, Mobilfunkempfang, Design, Energieeffizienz, hohe Verfügbarkeit)? Ist mit dem traurigen Aus von Bombardier, der einseitigen Vergabe aller milliardenschweren jüngsten Beschaffungen der SBB das Ziel endlich erreicht, den wirksamen Wettbewerb im Eisenbahnmarkt der Schweiz auszuschalten und auf ein Bussnanger Klumpenrisiko zu reduzieren?
Rufschädigung mit Folgen
Seit dem Zuschlag FV-Dosto an Bombardier im Jahre 2010 sind sämtliche Grossaufträge der SBB ausnahmslos an Stadler gegangen. Das erste Trostpflaster für den verlorenen FV-Dosto erfolgte in der Ausschreibung „Beschaffung Neue Züge für Nord-Süd (BeNe)“ im Jahr 2012. Der Zuschlag für die 29 einstöckigen, 11-teiligen Gliederzüge wurde von Talgo und Alstom 2014 erfolglos angefochten. Mitte 2022 wurde eine Option für weitere 7 Giruno-Einheiten eingelöst (Kostenpunkt: CHF 250 Mio.). 2021 setzte ein regelrechter „Stadler-Kaufrausch“ bei den SBB ein: im Frühling mit einer Direktvergabe von 60 Zügen basierend auf einer 13-jährigen (!) Option aus dem Vertrag für Interregio-Doppelstöcker aus dem Jahr 2008 (Kostenpunkt: CHF 1,3 Mia.). Trotz überhöhten Preisen und einer kaum als einseitig ausübbares Kaufrecht qualifizierbaren Bestellung verzichteten die in Frage kommenden Konkurrenten auf eine Beschwerde gegen diese Bestellung, um Abschlusschancen in der bevorstehenden, grössten Ausschreibung in der Geschichte der SBB nicht zu trüben. Doch es kam anders: auch der Zuschlag für bis zu 510 einstöckige Triebzüge als Ersatz für die Fahrzeuge des Typs Flirt ging in die Ostschweiz, sehr zum Leidwesen der unterlegenden Konkurrenten (Wert des ersten Abrufes von 286 Einheiten rund CHF 2 Mia). Die Beschwerde von Alstom – ehemals Bombardier – wurde abgewiesen. Ein Weiterbestehen ihres Werkes in der West-CH in Villeneuve/VD ist damit so gut wie ausgeschlossen.
Es läge im Interesse eines funktionieren Wettbewerbes, wenn entsprechende Riesenaufträge der SBB die Präsenz von mehreren Anbietern in der Schweiz fördern und nicht verhindern würde. Dies ist jedoch nicht der Fall. Siemens hat seit 2007 mit dem Niederflur-Doppelstockwagen (nota bene nur ein Zwischenwagen im Konsortium mit Bombardier) keine Flottenausschreibung der SBB mehr gewonnen. Man hat den Eindruck, der Bahnmarkt Schweiz spiele bei diesem wichtigen Anbieter punkto Rollmaterial keine Rolle mehr. Bei Alstom steht die Bahnzukunft Schweiz nach der verlorenen Schlacht um die Flirt Nachfolge ebenfalls in den Sternen. Talgo scheiterte 2014 mit ihrem Versuch, sich in der Schweiz im Rahmen der Beschaffung Neue Züge Nord-Süd zu etablieren. Der CH-Bahnmarkt wird somit für ausländische Anbieter immer rigider. Der „Heimatschutz“ im Bahnvergaberecht existiert somit nicht nur in anderen Ländern wie Frankreich, sondern neuerdings auch in der so weltoffenen Schweiz.
Das Bashing gegen die SBB war stellvertretend die Fortsetzung eines jahrelangen Bashings gegen den FV-Dosto und gegen Bombardier. Die genannten Grossaufträge auch bei noch so attraktiven Offerten an Alstom zu vergeben war politisch chancenlos. Die langjährige Imagekampagne gegen den Lieferanten des FV-Dosto hat ihre Wirkung nicht verfehlt.
Anschrift des Verfassers:
Bertrand Barbey, Dr.oec. HSG, lic.iur.
RailöB GmbH, bertrand.barbey@railoeb.ch