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SRF 1 – Rückblick auf 5 Jahre FV-Dosto
Briefing 3/23

Arthur Honegger in Hochform. Es ist mal wieder an der Zeit, so richtig auf die Pauke zu hauen. Zwar beklagen die SBB für das Geschäftsjahr 2022 einen Verlust von über 245 MCHF. Dessen Ursachen (Lohnanpassungen, Verluste im Bereich Energiegewinnung und SBB-Cargo)  interessieren nicht, stattdessen ist es Zeit, dass der FV-Dosto mal wieder sein Fett abbekommt. Der als Rückblick auf 5 Jahre FV-Dosto gedachte Beitrag vom 13.03.2023 erweist sich allerdings als Sammelsurium von Negativmeldungen, die nur eines bezwecken, den Zug schlecht zu machen, die wahren Ursachen bestimmter Probleme zu verschleiern und damit von den wahren Problemen der SBB abzulenken. Bombardier existiert nicht mehr – leider – die Firma eignet sich somit vorzüglich als Prügelknabe, der die anderen Player entlastet bzw. relativ besser stellt im Hinblick auf neue Subventionen (SBB-Cargo), bevorstehende Preiserhöhungen (SBB-Personenverkehr) und künftige Zuschlagsempfänger (falls es überhaupt mehrere sein werden).

Es lohnt sich diese Negativmeldungen genauer unter die Lupe zu nehmen.

Negativmeldungen, ohne Ende, ohne Ursachenanalyse

Der Beitrag beginnt zunächst mit einer positiven Meldung: «Der FV-Dosto fährt so zuverlässig wie kein anderer Zug der SBB». Dabei bleibt es aber, kein Wort über den finanziellen Nutzen dieser objektiven Tatsache, kein Wort über die aufgrund seiner Länge und der beförderten Passagiere pro km resultierenden Mehrerträge für die SBB und die Passagiere. Stattdessen Reiz- und Schimpfwörter in geballter Ladung: «Schüttelzug» (eigentlich eine Frechheit), hinzu kommen Amateur-Videoaufnahmen, die ein völlig verzerrtes Bild der Laufruhe abgeben.

Auf die Frage «Woran liegt nun das Schütteln?» erklärt der SBB-Experte wie das Drehgestell funktioniert, nicht aber, dass sich die SBB verpflichtet hat die Infrastruktur auszubauen, damit WAKO planmässig zum Einsatz kommen kann. Weiter verschweigt er, dass WAKO sämtliche Zulassungstests bestanden hat und nur wegen unsinniger Komfortanforderungen der SBB im Oberdeck zum Thema wurde. Immerhin gibt er zu, dass die «Bewegungen, die stattfinden auch vom Gleis herkommen, zum Teil». Hier wäre es spannend gewesen, diesen Anteil zu gewichten und zu erläutern, wo insbesondere der aktuelle Zustand der Trasse für die Schwankungen aller Züge ein Thema ist (z.B. um den Bahnhof Bern).

Es geht weiter: «Teuerste Beschaffung der SBB», «Pannenzug» (mit Mainstream-Artikelstrauss), Andreas Meyer zur Beschaffung  (ohne diese kritisch zu hinterfragen), «es harzt von Anfang an» («5 Jahre Verspätung», «Probleme mit Türen und Software», «Rollstuhlfahrer und steile Rampen» , «Gestank in den WCs», «Klimaanlagen mit Zugluft»), eine geballte Ladung von unkritisch hingeworfenen Anschuldigungen und Versäumnissen, die jeder Objektivität spotten.

Im Einzelnen:

«5 Jahre Verspätung»: sie lasten klar auf dem Hersteller, nicht auf ausufernden Leistungs­änderungen als Folge eines widersprüchlichen Anforderungskataloges, nicht auf zwei von Behinderten­organisationen initialisierten Verfahren, die nichts gebracht haben ausser Zeit- und Ressourcenverlust, sie lasten auch nicht auf einem komplexen internationalen Zulassungsprozess, der zweitweise von den Behörden boykottiert worden ist, die 5 Jahre Verspätung sind ein Faktum, wenn sie so kommuniziert werden, wie das SRF1 das tut allerdings nur eines: diffamierend.

«Probleme mit Türen und Software»: ja, diese Probleme werden nicht bestritten, aber gab es je eine Markteinführung ohne Kinderkrankheiten, kleben Mängel nur am FV-Dosto, weil sie marktschreierisch von SRF1 rapportiert werden, andere Beispiele, die den Primus aus der Ostschweiz betreffen aber nur in der Eisenbahn­revue nachzulesen sind? (vgl. Forum 4/23).

«Rollstuhlfahrer und steile Rampen» : ja, die Rampen sind steiler als gewohnt, entspringen aber einem Zielkonflikt, der auf die DACH-Zulassung zurückgeht und nicht auf die Gleichgültigkeit des Herstellers handicapierten Personen gegenüber, wie  der Beitrag im Grunde insinuiert. Dieses vom Bundesgericht sanktionierte Ergebnis falsch zu kolportieren ist inakzeptabel.

«Gestank in den WCs», auch dieses Thema eignet sich als Totschlagargument gegen den Zug. Wer will schon in einer fahrenden Latrine unterwegs sein? Dabei konzentrieren sich die Probleme auf den Bahnhof Löwenstrasse und schon gar nicht auf alle Züge der Flotte. Zudem wird ein und derselbe Bioreaktor des verantwortlichen Subunternehmers in allen Zügen eingesetzt, der Ausfall von Bakterien im FV-Dosto war einfach letztes Jahr nur Hitze- und Frequenzbedingtes Pech. Allerdings lässt sich auf diese Weise das Image des Herstellers sehr wirksam mit Hohn und Spott beschmieren.

«Klimaanlagen mit Zugluft», nachdem das COVID-19 Argument des Aerosol-Messegeräte Vertreters Bäumle ausgedient hat, muss ein Ersatzthema her. Dass wir es bei der Regulierung der Klimaanlage mit einem  Alltagsproblem zu tun haben, das jeder Autofahrer kennt muss nicht weiter erläutert werden.

Fazit

Mehr Objektivität seitens SRF1 wäre wünschbar. Statt das überwundene Narrativ erneut aufzutischen wäre z.B. in Sachen Laufruhe ein fundierter Vergleich mit allen anderen Doppelstock Flotten zu fordern (RegioDosto Stadler Rail, RABe511, RABe512; IC2000; DTZ ZVV (Siemens), und ICN RABDe 500 (Alstom/Bombardier), als Referenzbeispiel). Weiter stünde einem objektiven Vergleich gut an, die Laufruhe nach Gleisabschnitt und Geschwindigkeit zu untersuchen, um so klarzustellen, wo wartungsbedürftige Trassen ihren Beitrag zur Laufunruhe leisten. Schliesslich wäre abzuwägen, ob die grosse Effizienz der FV-Dosto Flotte (Transportkapazität pro km, Energieeffizienz, Geschwindigkeit, Druckdichtigkeit) nicht auch gegen ein manchmal unruhiges Fahrverhalten abgewogen werden sollte.

Die wichtigste Aussage des Beitrages stammt vom CEO der Alstom, Cora Hentrich-Henne: «In den letzten Jahren sind alle Aufträge an einen einzigen Hersteller gegangen, das ist für uns natürlich keine positive Nachricht, mit der wir umgehen müssen. Will heissen: wir müssen uns überlegen, wie lange wir uns noch unsere Ressourcen und Infrastruktur in der Schweiz leisten können. Die bevorstehende Freihandvergabe «Zürcher S-Bahn» (simap.ch, Projekt-ID 250617) lässt grüssen.

Anschrift des Verfassers:

Bertrand Barbey, Dr.oec. HSG, lic.iur.
RailöB GmbH, bertrand.barbey@railoeb.ch