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Kaum ein anderer Bereich ist derart dicht mit erstklassigen Informationsquellen durchsetzt wie der Bahnsektor in der Schweiz. Leider ist die Informationsflut wie oft immens und kaum mehr überblickbar. Es hat deshalb keinen Sinn, hier das Rad neu zu erfinden. Vielmehr beschränken wir uns darauf, auf bestehende Informationsquellen zu verweisen, indem wir sie im Überblick nutzbar machen. Wir folgen dabei dem Modell der Industrial Organization Analysis (IOA, Bain, J.S., NewYork 1966), wonach die Märkte nach den Kategorien Marktstrukturen – Marktverhalten – Marktergebnisse zu unterscheiden sind, Kategorien, die dynamisch mit den allgemeinen Grundlagen des Marktes verknüpft sind. So ergibt sich folgender Regelkreis: Allgemeine Grundlagen Marktstrukturen Marktverhalten Marktergebnisse (mit Rückkoppelungen).
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Allgemeine Grundlagen
Die gesetzlichen Grundlagen des Bundes und der Kantone zum schweizerischen Vergaberecht sowie alle weiterführenden Informationen sind vollumfänglich und aktualisiert abrufbar. Zu den massgebenden Rechtsquellen gehören auch die Staatsverträge, die von der CH mit ausländischen Staaten abgeschlossen hat, allen voran das Government Procurement Agreement (GPA) in seiner aktuell gültigen Version. Der Grundstein für die Harmonisierung des Vergaberechtes in der Schweiz wurde 2018/20 mit den Novellen zum Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) und zur Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen (VöB) gelegt. Die Umsetzung der Revision schweizweit ist noch nicht vollständig abgeschlossen, geht es doch darum, das Konkordat der Interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (IVöB) auf einen revisionsgerechten Stand zu bringen. Die Schweizerische Vereinigung über das öffentliche Beschaffungswesen besteht aus namhaften Experten und Praktikern des schweizerischen Vergaberechtes. Regelmässige Events bieten einen erstklassigen Gedankenaustausch über Gesetz und Praxis. Es bestehen zahlreiche gute Zugriffe auf die Vergaberechtspraxis der Gerichte von Bund und Kantonen. Besondere Empfehlung verdient die Sammlung einer bekannten spezialisierten Kanzlei in Zürich.
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Marktstrukturen
Der Rollmaterialmarkt wird auf der Angebotsseite von wenigen Anbietern kontrolliert, die ihrerseits wiederum von einer überblickbaren Zahl von spezialisierten Zulieferanten im In- und Ausland abhängig sind. Sie sind zum überwiegenden Teil im Industrieverband SwissRail zusammengefasst. Die Marktgegenseite besteht neben der dominierenden Landes-gesellschaft SBB aus über 50 weiteren Bahngesellschaften (nur reine Rollmaterialgesellschaften), die sich im Verband öffentlicher Verkehr (VöV) wiederfinden. Wichtige Stakeholder, ohne die der Bahnverkehr nicht stattfinden könnte, die Lokführer und Eisenbahner sind im VSLF Verband Schweizer Lokführer und Anwärter vereint. Wichtige Akteure am Markt sind zudem die Zulassungsbehörden, allen voran das Bundesamt für Verkehr und die Interessenverbände für Menschen mit reduzierter Mobilität.
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Marktverhalten
Das Marktverhalten der Marktteilnehmer findet im engen Korsett des Vergaberechts statt. Für Anbieter besteht ein Marktzugang fast ausschliesslich über die öffentlichen Ausschreibungen der Transportgesellschaften, die auf der Plattform simap.ch publiziert werden. Im Rahmen der konkreten Ausschreibung definieren die Beschaffungsstellen einen zeitlich, sachlich und örtlich abgegrenzten Markt, der unter den Bedingungen der Ausschreibung und den gesetzlichen Vorgaben von wettbewerbswilligen Anbietern reaktiv, d.h. nach den konkreten Ausschreibungsbedingungen betreten werden darf. Konsortien sind unter den engen Grenzen des Vergaberechts möglich, in der Bahnindustrie aber sehr selten. Proaktives (nicht-reaktives) Marktverhalten der Anbieter beschränkt sich auf ihr Beschwerderecht gegen Zuschläge (Art. 51ff. BöB).
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Marktergebnisse
Pars pro toto interessieren hier die Ausschreibungen bzw. Zuschläge der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) betreffend Fernverkehrs-Doppelstockzügen (FV_Dosto) sowie die Beschaffung «Ersatz Tram 2000» der VBZ aus den Jahren 2009 bzw. 2011. Diese Einschränkung ist willkürlich und exemplarisch. Sie resultiert aus den Besonderheiten dieser Beschaffungen, die wiederkehrende Probleme von Bahnbeschaffungen illustrieren können. Die Fälle betreffen den Bahn- bzw. den Strassenbahnmarkt und liefern interessante Hinweise zum Wettbewerb im Parallel- (unter Anbietern) und Austauschprozess (zwischen Anbietern und Beschaffungsstellen) bei komplexen Beschaffungen. Sie illustrieren den hohen Preis der Rechtspflege und die massive mediale Exposition der Lieferanten.