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„Ich habe es da oben ….“
Briefing 16/22

Faktencheck SRF 1 – Blick zurück

Es lohnt sich die Beiträge diverser Formate von SRF1 zu studieren, die seit dem 22. Januar 2014 zum Thema FV-Dosto/Bombardier ausgestrahlt worden sind. Alle über 25 Beiträge kann man als Podcast bis auf weiteres noch streamen. Noch nie stand eine Bahn­beschaffung derart im Fokus, noch nie wurde eine Kampagne gegen ein Unternehmen und indirekt gegen die SBB derart emotional geführt. An Kraftausdrücken wurde nicht gespart: Debakel, Katastrophe, Desaster, Schlamassel, Krise, Schüttelzug, Pannenzug, Behindertenbehinderung, kein Prädikat war diffamierend genug, um dieses Projekt anzuschwärzen. Heute verkehren die Doppelstockzüge von Bombardier zur vollen Zufriedenheit der Passagiere auf allen Strecken. Alle, die in den Chor der Kritiker eingestimmt haben, sind ruhig geworden. Eine echte Ursachenforschung aller Gründe, die zur Verspätung der Auslieferung geführt haben, interessiert niemanden mehr. Niemand wird für Falschaussagen, üble Nachrede, Geheimnisbruch, tendenziöse Berichterstattung zur Rechenschaft gezogen.

Immerhin: Ulrich Giezendanner/SVP, Mitglied der Verkehrskommission verdanken wir eine wichtige Erkenntnis (Zitat Rundschau 30.1.2018): „SBB ist nicht imstande Züge einzukaufen“.

Faktencheck 2014ff., allgemeiner Eindruck

Die diversen Beiträge der SRF-Sendegefässe Tagesschau, 10vor10, Rundschau, Echo der Zeit, CH-Aktuell etc. lassen sich grob in folgende Kategorien einteilen:

  • Beiträge, die primär gegen SBB gerichtet sind
  • Beiträge, die primär gegen Bombardier gerichtet sind

Die SBB ist eine spezialgesetzliche AG, die dem Bund gehört, deren Management aber über eine weitgehende Selbständigkeit verfügt. Governance Funktionen nehmen die Verkehrskommission im Zusammenhang mit der parlamentarischen Aufsicht wahr und das Bundesamt für Verkehr in Bezug auf die Sicherheit des Bahnverkehrs. Die Beschaffung von Bahnflotten überlässt der Bund dagegen vollumfänglich der SBB, er hat dabei keinerlei Einfluss auf die Selektion des Generalunternehmers einer Flottenbeschaffung.  Auch über den Hebel der Finanzierung kann der Bund keinen Einfluss ausüben, da, anders als z.B. der Zürcher Verkehrsverbund bei Beschaffungen der VBZ,  Fernverkehrsbeschaffungen aus entsprechenden Einnahmen der SBB finanziert werden.

Wenn somit über die Politik kein Einfluss auf die SBB und ihren selbstherrlichen CEO ausgeübt werden kann, dann eben über das gebührenfinanzierte Fernsehen SRF. So muss z.B. Jeanine Pilloud stellvertretend für ihren Chef am 20.1.2014 an der Rundschau-Theke Platz nehmen, wo ihr SRF-Moderator Sandro Brotz mit stechendem Blick unangenehme Fragen stellt. Es geht um die Folgen von über 1000 Leistungs­änderungen im Projekt, einer millionenschweren Konventionalstrafe der SBB für Verzug und einer Gegenforderung für Mehraufwendungen von Bombardier.

Dabei fällt auf: eine Mitschuld der SBB wird am Sachverhalt der Verspätung immer wieder angesprochen, aber nicht weiterverfolgt. So steht zu diesem Zeitpunkt der Boykott des Projektes durch die SBB im Raum, so werden die 1000 Leistungsänderungen und ihre terminlichen Folgen angesprochen, so der Umstand, dass die SBB-Tarife erhöhen will, dabei aber altes Rollmaterial anbietet. In einer SBB-internen Weisung wird eine Sprach- und Verhaltensregelung erlassen, die tief blicken lässt. Man gewinnt den Eindruck, dass bereits 2014 das Verhältnis im Langzeitvertrag so tief zerrüttet war, dass die Parteien nicht mehr richtig miteinander kommunizieren konnten. Das Fiasko eines Projektabbruches wird offen angesprochen, dessen Folgen aber verdrängt.

Im Rundschau Beitrag vom 14.12.2016 geht die Jagd auf verprasste Steuergelder weiter. Zunächst wird Bombardier als komplexer Laden hingestellt – ein Lieferant von Minibars aus dem Toggenburg musste mit 50 Personen aus drei Ländern verhandeln, um endlich zum Abschluss zu kommen. Später verzichtete dann die SBB auf den Einsatz von Minibars, womit der Vertrag obsolet wurde. Doppelt bestrafter Lieferant, wen trifft nun die Schuld? Was hat der Leerlauf an Zeit und Geld gekostet?

Das BAV, ein Player, der von Anfang an der Vorbereitung der Beschaffung beteiligt war, räumt ein, dass es sich  beim FV-Dosto «um komplexe Strukturen der Kompositionen handelt», verschweigt aber den Verzögerungsfaktor, der mit einer hochbürokratischen DACH-Zulassung des Fahrzeuges in drei Ländern verbunden ist. Noch ist nicht sicher, ob die Fahrzeuge je im Ausland kursieren werden. Alle Schuld dem Lieferanten, der nun endlich liefern soll.

Die Beiträge, die sich gegen den Lieferanten Bombardier richten, und damit indirekt für andere, bessere Lieferanten, v.a. für den zu kurz gekommenen schweizerischen Lieferanten aus der Ostschweiz, sind «starker Tobak». So wurde der mehrfach verschobene Ablieferungstermin der ersten Fahrzeuge, nach Vertrag Ende 2013, mehrfach bis zum Fahrplanwechsel 2017 verschoben. Hier wäre eine objektive Ursachenanalyse angebracht gewesen. Im Vordergrund steht stattdessen die Inkompetenz des Herstellers, der mit Vertragstrafen nun endlich sanktioniert werden soll. Die dem Fernsehen zugespielten internen Papiere der SBB, des BAV, die anonymen Berichte von Bombardier Mitarbeitern, der Beizug von sogenannten Bahnexperten wie auch Befragungen im Zug stützen diese These. Die bei jeder Betriebseinführung auftretenden Kinderkrankheiten eines Zuges werden aufgelistet und im sonoren «Kassensturz»-Originalton angeprangert. Der Lieferant, der sich mit der komplexesten, innovativsten Bahnbeschaffung der SBB auseinandergesetzt hat und einen 1000-fach angepassten Anforderungskatalog erfüllen musste erhält kein rechtliches Gehör. Sein CEO wird stattdessen am Mittagessen vom sensationshungrigen Journalisten mit der Frage überfallen, wann denn endlich die Züge fahren.

Nachdem heute die FV-Dosto-Flotte in Sachen Verfügbarkeit, Energieeffizienz und auch «Schönheit» (Originalton Andreas Meyer) die Rangliste anführt wäre es eigentlich angebracht, wenn das Fernsehen SRF mit einer etwas ausgewogeneren Berichterstattung einen Beitrag zur Imagekorrektur des FV-Dosto ausstrahlen würde. Beschaffungsrechtliche Themen wie: Change-Management im Werkliefervertrag, Pläne auf Papier und reale Pläne (Jeanine Pilloud), Submissionsschwächen der SBB (Ulrich Giezendanner) , Governance künftiger Ausschreibungen, an denen nur noch ein der Anbieter teilnehmen wird, Alternativlieferanten des FV-Dosto, die es besser gemacht hätten, doppelte Behindertenbeschwerden trotz Maquetten Phase, was haben sie an Zeit und Geld gekostet, was haben sie gebracht, wären dabei Ansätze, die zu einer differenzierteren Sicht beitragen könnten. Sie setzten allerdings eine fundierte Auseinandersetzung mit der Materie voraus.

Fazit

Politik und Medien schalten sich ins Projektmanagement ein, ziehen Experten bei, beschaffen sich interne Informationen, stellen an den Pranger, ohne hinreichende Projektkenntnis und Ursachen­analyse. Cui bono? Wem kann das nützen? Den Projektverantwortlichen sicher nicht. Sind Missstände aufgedeckt worden? Was haben die Kampagnen gebracht? Der Sache sicher nichts. Das Beispiel FV-Dosto bringt mit aller Deutlichkeit die Überforderung der Beschaffungsstelle SBB zum Ausdruck, strategische Flottenbeschaffungen im Wettbewerb nach GPA-Regeln auszuschreiben und zu führen. Sie zeigt auch, dass die unzähligen «Stakeholders», die am Bau mitwirken, vorab die Zulassungsstellen und die Behindertenverbände ein funktionierendes werkvertragliches Verhältnis massiv stören können, gleich ob sie etwas erreichen oder nicht. War die DACH-Zulassung wirklich nötig? Wie kann man Züge bauen, die alle Behinderungen im öffentlichen Verkehr aus der Welt schaffen? Ausschreibungen nach GPA-Regeln werden allerdings auch nicht mehr nötig und möglich sein, da der Subsmissionswettbewerb im CH-Bahn­markt offen­sichtlich über längere Zeit nicht mehr stattfinden wird. Wir sind gespannt auf die milliardenschweren Freihänder, die uns bevorstehen.

 

Anschrift des Verfassers:

Bertrand Barbey, Dr.oec. HSG, lic.iur.
RailöB GmbH, bertrand.barbey@railoeb.ch