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Grock und die SBB (9/23)

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    Bertrand Barbey
    Administrator
    Komiker und Clowns verfügen über die besondere Gabe, ihre Mitmenschen zum Lachen bringen. Schon deshalb verdienen sie unseren uneingeschränkten Respekt. Wenn es Grössen sind, die ein Millionenpublikum erreichen, umso mehr.
    In Zeiten, in denen es noch kein Kino, Fernsehen und Internet gab, tourte ein Schweizer namens Adrien Wettach mit der immer gleichen Nummer quer durch Europa, füllte Theatersäle und brachte Leute herzhaft zum Lachen, immer wieder. Er sorgte dafür, dass Alltagssorgen einen Moment lang vergessen gingen. Er machte keinen Unterschied zwischen Menschen verschiedener Nationalität, Religion und Position, alle, v.a. auch Soldaten im Krieg hatten Anrecht auf sein Programm. Er hatte Erfolg. Weil er sein Publikum nicht aussuchen konnte und wollte, waren auch Fans im Saal, die im Verlauf der späteren Geschichte als Unmenschen, Tyrannen und Henker verurteilt wurden. Er konnte sie nicht aus dem Theatersaal weisen, weil sie im Zeitpunkt der Aufführung wie jeder andere Besucher einfach nur lachen wollten. Und so war auch ein gewisser Adolf Hitler im Publikum anzutreffen, ein bekennender, nicht ganz unwichtiger Fan. Er erhielt von Grock, so hiess Adrien Wettach als Künstler, sogar einmal einen Weihnachtsgruss, geschrieben im schwülstigen Deutsch der damaligen Zeit.
    Die SBB erwägt, wegen diesem Weihnachtsgruss Grock zum Nazi-Clown zu stempeln und den nach ihm benannten ICN umzufirmieren. Ein Treiber in der NZZ unterstützt dieses Vorhaben. Der betroffene Grock kann sich dazu nicht mehr äussern, er ist schon lange tot.  Dass er Millionen von Menschen in düstersten Zeiten etwas Freude, Licht und Heiterkeit vermittelt hat zählt nicht mehr. Dass er in einem Atemzug mit Grössen wie Charlie Chaplin genannt wird ist irrelevant. Nur das eine Telegramm an Hitler zählt, das ihm nun zum Verhängnis wird. Sein Vergehen: er hat aus Versehen mit dem Teufel kommuniziert, das reicht.
    Arme SBB, armer Zeitgeist, jede Verhältnismässigkeit, jede Proportionalität fehlt. Man fühlt sich in die Gegenwart versetzt, wo eine kleine, erfolgreiche Schweiz ihre Rolle in einer von Despoten regierten Welt sucht und es ihr verwehrt wird, neutral zu sein, frei nach Grocks Motto, Krieg interessiert mich nicht, ich will auch in düstersten Zeiten etwas Heiterkeit verbreiten. Es bleibt zu hoffen, dass die SBB Geschäftsleitung von dieser Heuchelei Abstand nimmt und der ICN Grock weiterhin die Erinnerung an diesen genialen Clown wachhalten kann.
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