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DACH Zulassung für die Katz
(Briefing 11/24)

Internationale Direktverbindungen heute

Valable internationale SBB-Direktverbindungen, die es u.U. mit dem Flugverkehr aufnehmen können gibt es, allerdings nur vereinzelt, so z.B.

Zürich – München, 2-Std. Takt, 3 Std. 31 min.
Zürich – Wien, 12 Std., 3-mal pro Tag
Zürich – Paris, 4 Std. , 4-mal pro Tag
Zürich – Mailand, Std-Takt, 4 Std. 20 min

Interessantere Verbindungen wie z.B. Zürich  – London oder Genf – Lyon scheitern im Moment an kommerziellen oder technischen Hindernissen. 

Railtour bewirbt immerhin sechs Städtedestinationen, immerhin wird Mailand mit SBB-eigenem Rollmaterial angesteuert. Bei den übrigen Destinationen wie München, Wien, Amsterdam, Bolognia und Dijon muss auf fremdes Rollmaterial umgestiegen werden. 

Teure DACH-Zulassung

Die Richtlinie Zulassung Eisenbahnfahrzeuge des BAV[1] vermittelt einen Überblick über die aufwendigen Nachweise und Kontrollen, die einer Betriebsbewilligung für ein neues Eisenbahnfahrzeug zu Grunde liegen. Im internationalen Kontext arbeiten Zulassungsbehörden bestimmter Länder im Verbund, indem sie auf der Grundlage von TSI-Normen  (Technische Spezifikationen für die Interoperabilität) grundsätzlich nationale Zulassungen gegenseitig anerkennen (sog. Cross Acceptance Verfahren)[2].

Bereits im Vorfeld des Zuschlages stand die DACH-Zulassung des ausgeschriebenen Fernverkehr-Doppelstöckers auf dem Prüfstand. So monierte NR Ulrich Giezendanner die enormen Mehrkosten, die eine Zulassung in Deutschland wegen den unterschiedlichen Anforderungen bzgl. Perronhöhen und damit Einsteige-Einrichtungen, 100 %igen Druckdichtigkeits–anforderungen, schmaleren Wagenkästen  und unterschiedlichen Crash Normen auslöst. Gemäss Experten war so mit Mehrkosten von über CHF 500 MCHF zu rechnen[3].

Bei dieser Ausgangslage war die Erlangung einer DACH-Zulassung alles andere als ein Spaziergang, zumal das EBA, das Deutsche Eisenbahnamt in Bonn, wie interne Aufzeichnungen belegen, bei den Cross Acceptance Bemühungen der Antragstellerin einen «remote»-Modus applizierte, d.h. nur noch an ihrem Sitz in Bonn die eingereichten Unterlagen zu prüfen gewillt war und allen externen Meetings zur Baubetreung, Zulassungsmeetings und Leitkreis-Meetings fernblieb. Damit verlangsamte sich der internationale Zulassungsprozess deutlich, was im Grunde dem «Cross Acceptance» Gedanken diametral zuwiderlief.

Zählt man die Beschwerden der Behindertenverbände hinzu, insbesondere jenen im Zusammenhang mit der Neigung im Eingangsbereich, die den deutschen Perronhöhen geschuldet waren muss die DACH-Zulassung des FV-Dosto als regelrechter Herkulesakt bezeichnet werden, der viel Kapazitäten und Zeit verschlungen hat.

Dies ist umso bedauerlicher als heute die DACH-homologierte FV-Dosto-Flotte wohl nie in D verkehren wird. Verkehrte Welt, alles für die Katz.

Fazit: keine DACH-Zulassung auf Vorrat

Die Weltwoche hielt unlängst ein Tribunal gegen Vincent Ducrot und machte ihn für eine der „grössten Fehlinvestitionen in der europäischen Eisenbahngeschichte“ verantwortlich (Weltwoche vom 19.06.24). Er, der in der fraglichen Zeit von 2011-2019 gar nicht ins Projekt eingreifen konnte. Die Gründe, weshalb diese Beschaffung aus dem Ruder lief, sind vielfältig und in dieser Reihe schon mannigfach beschreiben worden. Trotzdem hält sich der  Vorwurf eisern, zunächst als Trigger in der Politik (Gerhard Pfister), um Sparziele durchzusetzen. Das Thema ist nicht vom Tisch und wird wohl im Rahmen der anstehenden Beschaffung «Zürcher S-Bahn» neu aufleben. Wettbewerb im Bahnbeschaffungsrecht oder Stadler-Anbietermonopol – so lautet die Kernfrage. Sie zu beantworten wird schwierig werden, dringend und wichtig bleibt sie ohnehin.

Dass aber die obsolete, beschwerdeträchtige und teure DACH-Zulassung viel zum Verzug des FV-Dosto beigetragen hat, interessiert wohl heute niemand mehr.

Anschrift des Verfassers:

Bertrand Barbey, Dr.oec. HSG, lic.iur. 
RailöB GmbH, bertrand.barbey@railoeb.ch



[1] BAV, Richtlinie Zulassung Eisenbahnfahrzeuge (Stand 1.7.2024)

[2]https://de.wikipedia.org/wiki/Cross_Acceptance

[3] NZZ a.S., 11.4.2010