Vor kurzem erwähnte die NZZ einen Beitrag der Kanzlei Prager Dreifuss über die Obsoleszenz juristischer Schriftstellerei.[1] Es ist die Rede von Chatboots wie Chat GPT, die das Jobprofil von Juristen massiv verändern werden. So wird berichtet, dass bereits 36% aller Juristen mit künstlicher Intelligenz arbeiten bzw. sich entsprechend unterstützen lassen. Es liegt somit auf der Hand, sich mit diesem «Segen» zu befassen und den real existierenden Rollmaterial-Werkliefervertrag mit seinem künstlich generierten «Zombie-Ebenbild» zu vergleichen.
Ich verwende dabei ChatGPT mit einer möglichst umfassenden Eingabe.
Hallo Chat GPT, hier die Frage:
«Schreibe mir einen Werkliefervertrag für 59 Doppelstock Fernverkehrszüge, die Platz für je 1300 Passagiere bieten, 400 m lang sind, druckdicht sind, mit Wankkompensation schnelles Kurvenfahren ermöglichen, über Elektrosteckplätze und ein modernes Kundeninformations–system verfügen, auf Termin ab dem 1.1.2026 alle 3 Monate übergeben und abgenommen werden müssen, in Deutschland, Österreich und der Schweiz zugelassen werden müssen. Der Vertrag muss zudem bei Verspätungen, Nichterfüllen von Meilensteinen, Gewichtsüber–schreitungen und sonstigen Vertragsverletzungen harte Sanktionen beinhalten. Der Vertrag ist nach schweizerischem Recht zu gestalten. «
….. und hier die aus dem Hut gezauberte KI-Antwort:
«Hier ist eine Vorlage für einen Werkliefervertrag für die beschriebenen Anforderungen:
Werkliefervertrag
zwischen
(Name des Auftraggebers), vertreten durch (Name und Position), im Folgenden «Auftraggeber» genannt,
und
(Name des Auftragnehmers), vertreten durch (Name und Position), im Folgenden «Auftragnehmer» genannt.
Präambel:
Der Auftraggeber beabsichtigt, 59 Doppelstock-Fernverkehrszüge zu beschaffen, die den spezifizierten Anforderungen entsprechen. Der Auftragnehmer erklärt sich bereit, diese Züge gemäss den Bedingungen dieses Vertrages zu liefern.
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- Beschreibung der Lieferungen
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- Der Auftragnehmer verpflichtet sich, insgesamt 59 Fernverkehrszüge bereitzustellen, die jeweils Platz für 1300 Passagiere bieten und eine Länge von 400 Metern haben.
- Die Züge müssen druckdicht sein und über eine Wankkompensation verfügen, um schnelles Fahren in den Kurven zu ermöglichen.
- Die Züge müssen mit Elektrosteckplätzen und einem modernen Kundeninformationssystem ausgerüstet sein.
- Die Züge müssen gemäss dem Zeitplan ab dem 1.1.2026 alle 3 Monate übergeben und abgenommen werden.
- Die Züge müssen für den Betrieb in Deutschland, Österreich und der Schweiz zugelassen sein.
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- Vergütung
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- Der Auftraggeber zahlt dem Auftragnehmer eine Vergütung in der Höhe von (Betrag) für die Lieferung der oben genannten Züge.
- Die Zahlung erfolgt gemäss den vereinbarten Meilensteinen und Zahlungsbedingungen, die in einem separaten Dokument festgelegt sind.
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- Sanktionen
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- Bei Verspätungen, Nichterfüllen von Meilensteinen, Gewichtsüberschreitungen oder sonstigen Vertragsverletzungen behält sich der Auftraggeber das Recht vor, harte Sanktionen gemäss den geltenden Gesetzen der Schweiz zu verhängen.
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- Gewährleistung
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- Der Auftragnehmer gewährleistet, dass die gelieferten Züge den vereinbarten Spe–zifikationen entsprechen und frei von Mängeln sind.
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- Haftung
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- Je Partei haftet für Schäden, die durch ihre Fahrlässigkeit oder vorsätzliches Handeln verursacht wurden, gemäss den geltenden Gesetzen der Schweiz.
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- Geheimhaltung
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- Die Parteien verpflichten sich, alle vertraulichen Informationen, die sich im Rahmen dieses Vertrages erhalten, vertraulich zu behandeln und nur für die Zwecke dieses Vertrages zu verwenden.
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- Schlussbestimmungen
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- Dieser Vertrag unterliegt den Gesetzen der Schweiz. Alle Streitigkeiten im Zusammenhang mit diesem Vertrag werden von einem Schiedsgericht in (Ort) beigelegt.
Unterschriften:
Auftraggeber:
______________________
Auftragnehmer:
_______________________
Bitte beachten Sie, dass dieser Vertrag möglicherweise an die spezifischen Anforderungen Ihres Projektes angepasst werden muss und die Beteiligung eines Rechtsexperten empfohlen wird, um sicherzustellen, dass er allen rechtlichen Anforderungen entspricht.»
Versuch einer Würdigung
Lichtjahre liegen zwischen der Rollmaterial-Vertragswirklichkeit und diesem mit künstlicher Intelligenz geschaffenen Dokument. Beginnen wir mit den positiven Aspekten:
- Die KI-Vorlage ist blitzschnell kreiert und enthält immerhin eine Reihe von wesentlichen Vertragspunkten.
- 6 «Geheimhaltung» ist echt kreativ, da nicht in der Instruktion enthalten.
Im Übrigen muss das Urteil vernichtend ausfallen:
- KI ist lediglich in der Lage, die Instruktionen sklavisch wiederzugeben, eine Vertiefung der Vertragspunkte fehlt gänzlich.
- Die vorgeschlagenen Vertragsklauseln sind ansprechend formulierte Leerformeln, die nicht justiziabel sind. Wenn z.B. kolportiert wird, dass der Auftraggeber harte Sanktionen nach Schweizer Recht ergreifen kann, ist dies eine sinnlose Regelung, die inhaltlich nichts aussagt, weil sie so oder so gilt und einen blossen (unspezifizierten) Verweis auf das geltende Recht beinhaltet.
- Die Vorlage taugt nicht einmal als Disposition für einen komplexen Rollmatierial-Langzeitvertrag. Es fehlt am branchenspezifischen Input.
- KI ist nicht in der Lage, Spezifikationen, funktionale Anforderungen im Sinne von Alternativen oder Varianten vorzuschlagen, um so dem Vertragsredaktor bei spezifischen Regelungen zu unterstützen. Es bleibt bei Gemeinplätzen.
- KI ist auch nicht in der Lage, eigene Grenzen zu erkennen, um sich nicht völlig unglaubwürdig zu machen. Der Hinweis am Ende des Vorschlages ist gut gemeint aber wenig hilfreich. Der «Rechtsexperte» wird mit dem KI-Pamphlet wenig anzufangen wissen.
- Ein Vergleich des mit KI generierten und dem realen WLV «FV-Dosto» erübrigt sich somit. Die anfängliche Euphorie, mittels KI einen zweckdienlicheren, zielführenderen und auch nützlicheren WLV als Vorlage zu erhalten erweist sich als Nullnummer, die den Vertragsredaktor auf Feld 1 zurückwirft. Ob künftige KI-Technologien, die auf besseres Grundlagenmaterial zurückgreifen können, daran etwas ändern werden bleibt ungewiss.
Mein Fazit also: Der Computer bleibt ein dummer und schneller Helfer. Er wird auch durch künstliche Intelligenz das Universum situativer juristischer Differenzierung niemals erschliessen können.
Anschrift des Verfassers:
Bertrand Barbey, Dr.oec. HSG, lic.iur.
RailöB GmbH, bertrand.barbey@railoeb.ch
[1] NZZ, 30.4.2024